СМИ:

---

Lübeck – Friederike Garbe (66) bietet anonyme Hilfe für verzweifelte Mütter. Sie wirbt dafür, diese Frauen nicht zu verurteilen.
Hinter der grauen Metallklappe in der Lübecker Mengstraße verbirgt sich ein Kinderbett in Form eines kleinen Schiffes. An der Kopfseite ist ein hölzerner Mast mit einem weißen Segel befestigt, an „Deck“ sitzt ein kleiner Teddybär als Kapitän neben einem weichen Kissen. Aus diesem Bettchen hat Friederike Garbe (66) in den vergangenen elf Jahren 14 Kinder geholt. 14 Kinder von Müttern, die keinen anderen Ausweg wussten, als ihren Nachwuchs in die Babyklappe zu legen.
Im jüngsten Fall fand die Leiterin des Agape-Hauses gleich zwei Kinder vor: ein drei Monate altes Baby und seinen 15 Monate alten Bruder – das älteste Kind, das je abgegeben wurde. „Für ihn wird es schwieriger sein, das Erlebte zu verarbeiten“, schätzt Garbe. „Es ist ein großer Unterschied, ob man als Baby oder als Kleinkind weggegeben wird.“ Der Junge habe schon stehen und „Mama“ sagen können, erzählt die Lübeckerin, die den Jungen mit Spielzeugautos beschäftigt hat, bis Polizei und Jugendamt da waren. Ein fremdes Bett, Dunkelheit und die Mutter plötzlich weg – all das habe den Älteren mit Sicherheit mehr verwirrt als das Baby.
Dennoch ist Friederike Garbe überzeugt, dass die Mutter „eine richtige und verantwortungsbewusste Entscheidung“ getroffen hat. „Die Mütter, die ihr Kind in eine Babyklappe legen, sind in Not“, sagt sie, „sie wollen ihrem Kind eine gute Zukunft bieten, können es selbst aber nicht.“ Die abgegebenen Kinder wachsen mit drei Ausnahmen inzwischen in Adoptivfamilien auf: Eine Mutter hat ihr Kind kurz nach der Abgabe wieder zu sich geholt; im aktuellen Fall sind die Brüder bei einer Pflegefamilie untergebracht – etwa ein Jahr wird es wohl dauern, bis das Adoptionsverfahren abgeschlossen ist. Denn: Die Adoption von Kindern aus der Babyklappe wird in der Regel dadurch erschwert, dass die leiblichen Eltern nicht bekannt sind und das offizielle Einverständnis fehlt.
Es habe aber auch schon einen Fall gegeben, in dem die Mutter ihr ihr Kind persönlich überreicht hat, erinnert sich Friederike Garbe. Weitere Frauen habe sie im Nachhinein kennengelernt, die meisten hätten zudem mit dem Baby einen Brief in das Kinderbett gelegt. „Deshalb weiß ich, dass all diese Mütter nur das Beste für ihr Kind wollen“, sagt Garbe, „ich habe wirklich Hochachtung vor diesen Frauen.“
Im Jahr 2000 hat sie die Babyklappe in der Hansestadt eingerichtet, nachdem sie von zwei toten Babys hörte, die auf den Müll geworfen wurden. Durch das anonyme Hilfsangebot wollte die Lübeckerin verzweifelten Müttern eine Alternative bieten, einen Ausweg, eine Perspektive für das Kind und sich selbst. Nach Hamburg war Lübeck damit erst die zweite Stadt in Deutschland mit einer Babyklappe. Außerdem halten Garbe und ihre Familie Unterkünfte für junge Mütter und Schwangere in Notsituationen vor.
„Viele Frauen scheuen sich, Hilfe bei einem Amt zu beantragen“, ist Friederike Garbe überzeugt. Sie würden sich schämen, hätten Angst, als „Rabenmütter“ abgestempelt zu werden. Anonyme Hilfsangebote seien deshalb wichtig – „aber vor allem würde ich mir wünschen, dass die Öffentlichkeit solche Frauen nicht verurteilt“.